Lahmheit in der Hinterhand Teil 2 - KronentrittWolfgang Rapolter: Sehr geehrter Hr. Dr. Hoffmann!
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich hätte noch eine Zusatzfrage. Da unser Arabermischling auf Ruhigstellen mit stärkeren Symptomen ragiert, würde ich gefühlsmäßig - auch mein Tierarzt ist dieser Ansicht - ein leichtes Training bevorzugen. Inwieweit kann man ihn belasten, bzw. wie sollte Ihrer Ansicht nach solch ein Training aussehen?
Ich möchte die Fakten und meine Fragen (=Sorgen) nocheinmal "kurz" zusammenfassen und mit neuen Beobachtungen ergänzen:
1) Die schmerzende Stelle/Verhärtung liegt ziemlich tief in der linken Kruppenmuskulatur ca. 10cm vom Hüftknochen in Richtung Schweif entfernt.
2) Nach auch mäßiger Bewegung kann man eine leichte Erwärmung dieser Stelle im Vergleich zur anderen Seite feststellen.
3) Es ist eine Biegeunwilligkeit nach rechts vorhanden.
4) Bei Gangübergängen (z.B.: Gang-Schritt) bemerkt ein aufmerksamer Beobachter, daß dies dem Pferd einen kurzen Schmerz bereitet.
5) Das ganze Geschehen ist seit meinem ursprünglich Mail etwas empfindlicher geworden. Zum Beispiel reagiert das Pferd jetzt stärker , wenn man mit einem harten Gegenstand (z.B.: Striegelgriff) den Muskel mit mäßigem Druck entlangfährt ca. 5cm um die Verhärtung. (Immer im Vergleich zur anderen Seite!)
6) Das Lahmen war jetzt kurzzeitig schlechter (Wetterumschwung?).Aber bei freier Bewegung auf der Weide ist kein Lahmen/Schleifen festzustellen.
7) Momentan wird das Pferd mit Bestrahlungen (1x täglich UV-Licht 15 Minuten), Massage und "Muskelstretching" vor und nach der Arbeit nach Tellington, leichte Bewegung an der Longe (nach rechts will er nicht so recht), leichte Bewegung im ebenen Gelände auf langen geraden Feldwegen (leider mit berufsbedingten Pausen von 1-3 Tagen pro Woche) und ernährungsmäßig mit einer Bindegewebskur.
8) Da das Pferd vom Typ her ein Tier ist, das auch mit 3 Beinen für seinen Besitzer bis zum Umfallen läuft, sehr geduldig, kinderfreundlich und brav und dabei trotzdem sehr tempramentvoll (Lieblingsgangart: stürmischer, jedoch beherrschbarer Galopp) ist, kann ich mir vorstellen, daß - es verbringt fast täglich zumindest mehrere Stunden auf einer Koppel bzw. Weide - daß das von mir im 1.Mail beschriebene Krankheitsbild durch ein Geschehen auf der Weide wieder ausgebrochen ist. Beim Ruhigstellen in einer Box verfällt er leider total - physisch wie psychisch. Das Krankheitsbild hat sich durch Ruhigstellen immer verschlechtert.Meine konkreten Fragen sind jetzt: a) Mein Tierarzt meint, wir sollten mehr mit ihm arbeiten, und zwar longieren auslassen und mit ihm möglichst viel ausreiten. Auch ich - bin nicht gerade der leichteste (über 80kg) - soll ihn mäßig reiten. Soll ich das wirklich zulassen bzw. machen?
b) Ist an unserer Behandlung etwas falsch?
c) Wie sollte eine Kinesitherapie konkret aussehen? (Das könnte auch viele Leser von Hippoline interessieren)
d) Vom Tierarzt bekommt er eine hömöopathische Behandlung mit Arnica D6. Gibt es noch etwas, was einen Heilungsprozess unterstützt?
Jetzt ist das Mail wesentlich länger geworden als ursprünglich geplant, aber wir hängen an unserem Pferd sehr und wir wollen keine Möglichkeit auslassen ihn möglichst gesund zu bekommen.
Danke für Ihr Verständnis
Wolfgang Rapolter und FamilieDr. Georges Hoffmann: Sehr geehrter Herr Rapolter, ergänzend zu meinem 1. Schreiben möchte ich noch auf die Möglichkeiten der Ultraschalluntersuchung hinweisen, welche bei Ihrem Pferd möglicherweise ein genaueres Bild des Geschehens geben kann. Diese Methode gibt Hinweise auf die Dichte und Struktur des Muskels. Auf diese Weise könnte der Tierarzt eine eventuelle Flüssigkeitsansammlung im Muskel (Haematom, Abzess) oder Erhöhungen der Dichte (Fibrose) erkennen. Auch ergäben sich eventuelle Hinweise auf (sehr seltene) Tumore.
Nun zu Ihren Fragen:
- a) Sie sollten Ihr Pferd schon reiten und zwar so wie ich es in meinem ersten Schreiben beschrieben habe. Das ist das, was ich unter Kinesitherapie verstehe (Behandlung durch Bewegung). Dazu gehört alles, was Sie unter Punkt 7) beschreiben. Eine genaue Anleitung, bespielsweise wie lang und wieviel Sie reiten, ist pauschal nicht anzugeben. Dies richtet sich einzig und allein nach dem jeweils aktuellen Zustand des Pferdes. Erarbeiten Sie das Trainingsprogramm zusammen mit Ihrem Tierarzt. Er ist vor Ort und kann die Situation am besten einschätzen.
- b) Das denke ich nicht.
- c) siehe a)
- d) Ich glaube, Sie tun wirklich alles, was konservativ gesehen machbar ist. Sollte mehr zu machen sein, dann wäre es höchstens chirurgisch. Jedoch müßte hierzu die Indikation erst noch gestellt werden. (Ultraschall, Biopsie)
Mit besten GrüßenDr. Georges Hoffmann
From: Ewald JIRSA
Subject: KronentrittWelche Pflegemöglichkeiten gibt es bei Kronentritt ? :-)EJ
Dr. Georges Hoffmann: Sehr geehrter Herr Jirsa, kleinere Verletzungen der Ballen heilen rasch ab, wenn die Stelle sauber gehalten und desinfiziert wird (Blauspray mit Antibiotikazusatz.) Ein Verband ist nicht nötig.
Größere Verletzungen benötigen eventuell eine Toilettage. Darunter versteht man das Entfernen von losen Teilen, insbesondere des Horngewebes, um die Bildung einer "Tasche" zu verhindern, in welcher sich Schmutz und Feuchtigkeit ansammeln könnte. Je nach Größe der Verletzung wird man anschließend entweder wie oben mit Blauspray und an der freien Luft weiterbehandeln oder aber einen Schutzverband mit einer Heilsalbe anlegen.
Nähen lassen sich richtige Ballentritte (Trennung zwischen Kronsaum und Hufwand) nicht. Einzig eine Verletzung, bei welcher Haut an Haut genäht werden kann, bedarf bei entsprechender Größe einer solchen Behandlung.
Jede Behandlung muß solange fortgeführt werden, wie die Verletzung auf Fingerdruck empfindlich reagiert. Infektiöse Komplikationen (z.B. Phlegmone) sind bei nicht behandelten Kronentritten möglich.
Mit besten Grüßen
Dr. Georges Hoffmann.
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