Der Höhepunkt des Jahres im Dressursport war für 15 luxemburger Reiter am Wochenende des 13.-15.12.96 kein Turnier, sondern der vom Club Hippique Beaufort veranstaltete Lehrgang mit dem neuen deutschen Bundesnachwuchstrainer für Dressur, Herrn Holger Schmezer. So mancher Teilnehmer hatte während der drei Tage des Lehrgangs mehr als nur ein Aha-Erlebnis. Jeder profitierte von den Anweisungen des Trainers. Einfühlsam ging Holger Schmezer auf individuelle Probleme ein. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand dabei immer das Pferd als Partner. Er vermittelte nicht nur technisches Wissen, sondern gab auch Denkanstöße zur Motivation des Lebewesens Pferd. Wer die Gelegenheit verpaßt hat, Holger Schmezer persönlich kennenzulernen, erfährt aus dem folgenden Interview mehr über diesen außergewöhnlichen Pferdemann. Vielleicht bekommt dadurch ja der ein oder andere Lust, dabei zu sein beim geplanten zweiten Lehrgang mit ihm im Februar hier in Luxemburg - als aktiver Reiter oder nur als Zuschauer: Claudia Müller: Herr Schmezer, wie haben Ihnen die Tage in Luxemburg gefallen? Holger Schmezer: Ich war angenehm überrascht über das Niveau. Erfreulich ist, daß die Reiter mitmachen. Das motiviert einen selbst auch, daß man dann hoffentlich das bringt, was erwartet wird. Aber das hängt immer mit den Schülern und Teilnehmern zusammen, daß das wechselseitig funktioniert. CM: Leisten die Trainer im Land die richtige Arbeit? HS: Ja schon, aber es müßte noch mehr getan werden, es ist eigentlich zu wenig. Viele der Reiter, die hier an diesem Lehrgang teilnehmen, reiten zu viel alleine, und da schleichen sich schon Fehler ein. Vom Grundsätzlichen stimmt es bei den meisten. Es sind nur Feinheiten, die verbessert werden müssen. CM: Glauben Sie, daß durch diese drei Tage jeder Reiter für sich soviel mitnehmen kann, um das in den kommenden Tagen alleine nachzuvollziehen? HS: Erfahrungsgemäß ist das sehr unterschiedlich. Die einen setzen es um und wollen davon profitieren. Das merkt man immer dann, wenn man irgendwo einen wiederholten Lehrgang macht. Das merkt man hier schon von Tag zu Tag, daß manche das schon innerhalb der kurzen Zeit umsetzen. Man kann keine Bäume ausreißen in den paar Tagen, aber irgendwo Probleme aufdecken und die Reiter dazu anregen, daß sie sich Gedanken mache,n und ob es dann immer gelingt? - das weiß ich selber ja auch, daß man sich etwas vornimmt und weiß wie es eigentlich funktioniert, aber trotzdem sehr schwer ist es umzusetzen. CM: Apropos Wiederholung, sind weitere Lehrgänge mit Ihnen in Luxemburg geplant? HS: Der Wunsch besteht. Aber für mich ist es eben eine Frage der Zeit, wie ich das auf die Reihe kriege. Nachdem auf mich ja sehr viel neue Aufgaben im nächsten Jahr zukommen. CM: Wann geht die richtige Arbeit als Nachwuchstrainer los? HS: Die hat schon begonnen. Ab 1. Januar wird es dann offizieller und intensiver. Es sieht nach dem neuen Konzept des Dressurausschusses und des Olympiade-Komitees so aus, daß wir zwei Bundestrainer für die Senioren haben, Herrn Balkenhol und Herrn Hinnemann. Und daß ich vorgesehen bin für den Nachwuchs und im Moment noch als Mit- oder Noch- Trainer Herr Siegfried Peilicke, mit dem ich sehr befreundet bin und der mich sehr unterstützt in meiner Arbeit. CM: Muß man sich vorstellen, daß sie in Ihrem neuen Job wie bei diesem Lehrgang nur in der Bahn stehen und den Reitern Tips geben? Wie sieht die Arbeit des Nachwuchstrainers aus? HS: Im Moment reite ich ja auch selbst noch Turniere, das wird sich aber dann erheblich einschränken im kommenden Jahr. Ich versuche, weiterhin zu starten, weil ich im Moment ein sehr gutes und erfolgreiches Pferd habe, das viel gewinnt und auch im Grand Prix plaziert ist. Wobei mein Grand Prix-Reiten aus Zeitgründen sehr sporadisch stattfindet, weil ich mich jetzt nicht so sehr konzentrieren und nur auf große Turnier wandern kann. Aber das sieht später schon so aus, daß ich in der Arbeit auch mitreiten werde. Aber bei bei solchen Lehrgängen ist das nicht möglich. In dem Moment, wo ich mich mit einem Pferd mehr beschäftige, vernachlässige ich die anderen. Es ist nicht meine Aufgabe, als Bereiter herzukommen, sondern als Trainer . Und als Trainer muß man versuchen, von unten durch Anweisungen, durch Hilfestellung das zu erreichen, was vielleicht leichter wäre, wenn man es vormachen würde und sich aufs Pferd setzen würde. CM: Juckt es Sie da nicht manchmal doch, wenn Sie in der Bahn stehen und sehen, wie sich jemand abplagt? Würden Sie dann nicht doch gerne auch mal sagen: "Laß mich mal ran"? HS: Doch, aber da muß man eben versuchen, das soweit hinzukriegen, daß es für den Reiter und auch für den Lehrer so zufriedenstellend ist, daß man das Ziel auch erreicht, wenn man unten steht. Darin sehe ich meine Hauptaufgabe. Das andere, sich raufsetzen und etwas vormachen, das sieht nach außen immer schön aus und man steht als Mordsmolli da, aber das ist nicht der Sinn der Sache. Denn der Reiter muß das Problem erfassen und erfühlen und für ihn ist es das größere Erfolgserlebnis, wenn er zwar mit Hilfestellung, aber doch alleine das erreicht, was wir uns vorstellen. CM: Ich habe Sie während der drei Tage immer wieder beobachtet. Sie stehen recht gelassen und ruhig in der Bahn. Da gibt es doch das Bild vom Reitlehrer, der aus der Haut fährt und losbrüllt. HS: Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei, daß so wie früher der laute Ton vorherrscht und geschriehen wird. Man wird mal impulsiv und laut, wenn es erforderlich ist. Aber ich glaube, die Zeiten sind wirklich vorbei. Das wird einem auch aufgezeigt, wenn man mit Jugendlichen arbeitet, wie ich das schon seit über 20 Jahren auch neben meiner eigenen aktiven Tätigkeit als Reiter getan hab. Die sind viel zu kritisch. Da kann man nicht einfach sagen: "Jetzt Absatz tief". Dann ragen die gleich: "Ja, warum". Die wollen immer gewisse Hintergründe erfahren. Das ist eben auch wichtig. Ich versuche sehr viel Theorie in meinen praktischen Unterricht reinzubringen, damit es den Reitern klar wird, damit Sie Zusammenhänge erkennen, warum z.B. das Pferd dann das Hinterbein stehen läßt und das andere mehr aktiviert wird, wenn eben entsprechende Hilfen gegeben werden. Das laute Gebrüll kommt nicht mehr an. CM: Sie sind kein so impulsiver Mensch oder müssen Sie doch auch mal zusammenreißen? HS: Oh doch, aber zusammenreißen muß ich mich nicht. Ich versuche schon, das sachlich zu sehen. Ich glaube, daß das im Endeffekt weiter führt. So bin ich reiterlich erzogen, daß ich versuche, den Pferden gegenüber gerecht zu bleiben und nicht aus Unvermögen impulsiv falsch zu handeln und ungerecht oder unreiterlich zu handeln. CM: Was ärgert sie am meisten wenn Sie sich ein Turnier ansehen? HS: Am schlimmsten ist es, wenn Reiter aus eigenem Unvermögen sich Luft verschaffen und das was sie nicht können aber erreichen wollen, am Pferd auslassen durch Grobheiten und Ungerechtigkeit. Schlimm ist es auch in vielen Betrieben oder bei Turnieren, daß die Reiter gar nicht merken, wenn die Pferde nicht mehr können, wenn die Tiere über ihre Leistungsgrenze hinaus gefordert werden - aus falschem Ehrgeiz der Reiter heraus. CM: Hier sollten ja wohl die Trainer zu Hause ansetzen. Wie sieht denn hier die Betreuung aus? HS: In Deutschland wird hier viel getan. Wir halten doch viele Seminare. Auch unsere Aufgabe als Bundestrainer ist es, den Kontakt zu den Ausbildern zu halten. Denn die Ausbilder sind die wichtigen Stützen im Reitsport. Und das darf man nicht vergessen. Das sage ich immer wieder deutlich, auch wenn ich Lehrgänge mache. Denn so intensiv wie ich den Unterricht in den Lehrgängen betreibe, mache ich es bei mir zu Hause oder im eigenen Betrieb auch nicht. Und deswegen weise ich immer wieder daraufhin, wie wichtig die Arbeit mit den Heimtrainern ist und das ein Lehrgang nur eine zusätzliche Maßnahme sein kann. Insofern halten wir immer Kontakt zu den Heimtrainern. Es liegt aber auch an den Trainern, wie weit die gewillt sind dazuzulernen, mit ihren Schülern, wenn diese eingeladen werden, zu Lehrgängen mitzukommen. Es wird immer gewünscht, wir befürworten das. Wir lassen die Trainer arbeiten und helfen ihnen nur. Es ist nicht so, daß wir dann sagen: "Alles falsch." Denn die Reiter, die jetzt z.B. auf höherer Ebene zu mir kommen, die haben ja schon bewiesen, daß sie und ihre Trainer bis dahin schon die Leistung gebracht haben und besser sind als andere. CM: Was halten Sie von Hempfling, Penquitt, usw. den sog. alterniven Reitlehrern? HS: Auch von den Leuten können wir lernen. Ich bin sehr aufgeschlossen und offen allen Trainingsmethoden gegenüber. Wenn ich Warendorf z.B. kurze Zeit Pause habe - im Moment ist z.B. Franke Sloothaak mit seinen Pferden da - ist mein Weg der erste in die Springhalle, um zu kucken, wie der seine Pferde dressurmäßig arbeitet. Man kann sich sowohl von den Springreitern was abkucken als auch von Leuten, die mit anderen Methoden arbeiten. Man muß es nicht nachmachen. Das ein oder andere läßt sich nicht umsetzen auf unsere Sportart, aber es sind immer wieder Gedankengänge dabei, die dann vielleicht in anderer Form wieder brauchbar sind für unsere Arbeit. CM: Auf was freuen Sie sich ,wenn Sie wieder nach Hause kommen? HS: Ich freue mich auf mein eigenes Bett, zum anderen schon wieder auf die nächste Woche. Denn ich liebe meinen Beruf, ich will auch nie etwas anderes machen. Da sind schon wieder andere Aufgaben als es hier waren. So lebe ich 7 Tage die Woche für den Reitsport und das sehr gerne. CM: Nach drei Tagen in Luxemburg, haben Sie da denn etwas in der Landessprache gelernt? HS (sehr stolz): Mojen!!!