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Die Sprechstunde bei
Dr. Georges Hoffmann, Fachtierarzt für Pferde
















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Rückenleiden

Schwierigkeiten, sprich Schmerzen, im Rückenbereich werden beim Reitpferd recht oft festgestellt. Sie können sich auf verschiedene Weise bemerkbar machen: Meistens fällt beim Reiten auf, daß die Zeit die man zum Lösen braucht sich verlängert. Die Schwebephase im Trab geht verloren, das Pferd "schleicht" über den Boden. Da der Rücken die Kraft der Hinterhand nicht mehr nach vorne überträgt, entsteht eine Trittverkürzung, der Raumgriff geht verloren. Beim Versuch den Rücken zu entlasten verlagert das Pferd seinen Schwerpunkt nach vorne, es läuft auf der Vorhand. Dabei versucht es den Hals zu strecken um auszubalancieren.

Die Reiterhand, welche lieber Kopf und Hals aufgerichtet sieht, wehrt sich gegen das "Nachuntengehen". "Schwer auf der Hand liegen", kann die Folge sein. Nach dem Prinzip von Aktion und Reaktion wehrt sich das Pferd oft gegen die Hand und fängt dann an mit dem Kopf zu schlagen, bzw. zu schütteln. Da das Pferd vermehrt auf der Vorhand geht sind die Übergänge vom Galopp in den Trab und vom Trab in den Schritt meistens erschwert und oftmals "schwankend" in der Hinterhand. Je nachdem welche Art von Schmerzen auftreten, wird auch das Rückwärtsrichten oft nur mit Widerwillen ausgeführt.

Verschiedene Rückenschmerzen drücken sich durch Hinterbeinlahmheiten aus. Manchmal sind Rückenschmerzen, vor allem wenn sie im Muskelbereich angesiedelt sind mit einer übermäßigen Palpationsempfindlichkeit des Rückens verbunden. Diese Aufzählung von Anzeichen ist nicht vollständig. Einzeln genommen sind sie auch nicht unbedingt bedeutsam. Nur im Gesamtkontext gesehen, d.h. in Verbindung mit einem ausführlichen Vorbericht sind sie von Bedeutung.

Interessanterweise sind Rückenleiden bei Rück- oder Kutschenpferden, Pferden also welche zum Teil schwer über den Rücken arbeiten müssen, jedoch kaum ein Thema. Das legt den Verdacht nahe, daß die Rückenleiden der Reitpferde durch das Reiten selbst, bzw. den Reiter verursacht werden und nicht unbedingt Ausdruck einer selbstständig sich entwickelnden Krankheit sind. Hierbei dürfte nicht das Reitergwicht in erster Instanz verantwortlich sein, denn die eben erwähnten Arbeiten erfordern einen zum Teil sehr viel größeren Kraftaufwand als das reine Tragen eines normalgewichtigen Reiters. Es muß also angenommen werden, daß es vor allem die Einwirkung des Reiters ist, welche die Probleme auslöst.

Damit soll nicht behauptet werden, alle Rückenprobleme der Reitpferde seien durch unsachgemäßes Reiten verursach. Allerdings möchte ich den Reiter gerne dafür sensibilisieren, sich vermehrt bewußt zu werden, daß er durch seine Reitweise den größten Teil der Verantwortung für das Gesundhalten seines Pferdes trägt.

Die Hauptbestandteile des Rückens, welche Sitz einer schmerzhaften Entzündung sein können, sind Skelett und Muskeln. Da der gesamte Rücken eine funktionale Einheit ist, haben Probleme in einem Bereich notgedrungen Konsequenzen in den anderen und können daher nicht von einander getrennt werden. Der Einfachheit halber möchte ich dennoch getrennt auf die einzelnen Strukturen eingehen:

Tragende Haupstruktur ist die Wirbelsäule. Problembereiche an den Wirbeln sind:

1) die Hauptwirbelgelenke mit den dazwischengelagerten Bandscheiben
2) die kleinen Wirbelgelenke
3) die Austrittstellen der Spiralnerven
4) die Dornfortsätze + Nacken-Rückenband.
Die Gesamtbewegung der Wirbelsäule ist die Summe der einzelnen Bewegungen in oben genannten Zwischenwirbelbereichen. Die Beweglichkeit (Flexibilität) der Wirbelsäule ist beim Pferd jedoch nicht in jedem Rückenabschnitt gleich. Seit längerem ist bekannt, daß die Hauptbeweglichkeit sich im Lumbo-Sakralgelenk (Verbindung zwischen Nieren und Beckenpartie) befindet. In anderen Abschnitten ist die Beweglichkeit vergleichsweise stark eingeschränkt. (Jeffcott u. Dalin 1980) Rezentere kinematische Untersuchungen (Denoix 1987) haben interessanterweise den Einfluß der Halsstellung auf die Bewegung in den einzelnen Abschnitten der Wirbelsäule dargestellt.

Bei natürlicher Kopfhaltung in Verbindung mit nach unten abgebeugtem Becken (Flexion) finden die Hauptbewegungen der Wirbel im Bereich T14 bis T18 (Sattellage) statt. Umso stärker das LS Gelenk abgebeugt wird, umso größer sind die Bewegungen zwischen T14 und T18. Wird das Becken jedoch nach oben gebeugt (Extension), immer noch bei natürlicher Kopfhaltung, so verringern sich die Bewegungen in allen Bereichen der W.S. auf ein Minimum (Versteifung). Das Absenken des Kopfes (Anspannen des Nacken-Rückenbandes) bringt eine Verlagerung der Hauptbewegungen nach vorne in den Brustbereich (T5-T9). Gleichzeitig verringert sich die Beweglichkeit in der Nierenpartie (T18-L5), was wiederum durch eine erhöhte Beweglichkeit in der Beckenpartie (L5-S1) ausgeglichen wird. Im Detail hat sich gezeigt, daß bei der Flexion der W.S. jeder Wirbel in Beziehung zu seinem Nachfolger etwas abgesenkt wird, während es bei der Extension umgekehrt ist. Die Bandscheiben sind demnach nicht nur wechselnden Druckverhältnissen, sondern auch Scherenkräften ausgesetzt.

Aus diesen Betrachtungen heraus ergibt sich, wie entscheidend die Reitweise sich auf harmonische Bewegungen der W.S. auswirkt und Fehlbelastungen entweder vermeiden oder aber hervorrufen kann. Inbesondere sei hier vor dem Gebrauch von Hilfszügeln gewarnt, welche bei falscher Anwendung dem Pferd eine bestimmte Körperhaltung auferzwingen. Der auf diese Weise erzwungene Bewegungsablauf führt wegen der Gegenwehr des Pferdes zum einen zu Verspannungen der Muskulatur und zum anderen wegen des Auftretens falscher Belastungen an den Wirbelgelenken zu Schädigungen an der W.S.

- der zweite nicht minder wichtige Bestandteil des Rückens ist seine Bemuskelung:

Muskeln und Knochen haben bekanntlich eine tragende und fortbewegende Aufgabe. Ihre Gesamtmenge, Verteilung am Körper und Verhältnis die einen zu den andern ist abhängig von Alter, Rasse und Gebrauch.(Gunn 1987) (Tab.1)
( in % vom Körpergewicht)Muskeln Knochen Fett Mu/Kn
Warmblutfohlen 50kg : 32% 12%
Vollblutfohlen 50kg : 36% 22%
Warmblutpferd 500kg : 42% l2% 2,11% 3.5
Vollblut 500kg : 52% 12% 1,12% 4.3
(Tab 1)

Das Muskelfett spielt eine gewisse Rolle im Muskelstoffwechsel. Der Grad der Durchwachsung des Muskelgewebes mit Fett beeinflußt daher die Leistung (siehe weiter unten).

Muskelverteilung :

( in % vom Körpergewicht ) Brust/Schulter Rücken Kruppe/Gesäß Vorder- Hinterbeine
Vollblut 5.2% 3.0% 16.6% 1.1% 1.8%
Warmblut 4.5% 2.0% 12.8% 1.6% 1.5%
VB Sprinter 5.1% 3.6% 18.6% 1.1% 1.8%
VB Steepler 5.8% 2.4% 18.4% 1.3% 1.9%
(Tab.2)

Muskeln bestehen aus Bündeln von Muskelfasern. Die Muskelfasern sind jedoch nicht alle gleich. Man unterscheidet vornehmlich 2 Typen: langsam sich kontrahierende (Typ I) und schnell sich kontrahierende Fasern (Typ II). Typ I kontrahiert sich langsamer, besitzt dafür jedoch mehr Ausdauer (Stehertyp) und arbeitet nur wenn Sauerstoff vorhanden ist. Typ II ist schneller, arbeitet ohne verfügbaren Sauerstoff, dafür aber nur kurze Zeit (Sprinter). Da das Pferd ein Fluchttier ist (spontane schnelle Sprints), finden sich naturgemäß die meisten TypII Fasern in der Kruppen/Gesäßmuskulatur da sich hier die meiste propulsive Kraft entwickelt. Beim Quarterhorse kann diese Muskulatur zu 100% aus TypII Fasern bestehen. TypII Fasern können also intensiv und schnell, jedoch nicht ausdauernd arbeiten. Es bedarf also eines gewissen Anteils an TypI Fasern für längerdauernde Belastungen. Interessanterweise kann jedoch Ausdauertraining bewirken, daß die TypII Fasern die Fähigkeit erlernen Sauerstoff zu verwerten. Das führt dazu, daß man dann SubTypenII (TypIIA u. TypIIB) unterscheiden kann (Jones 1989). Gezieltes Training fördert also nicht allein die Gewichtszunahme der Muskeln, sondern auch ihre innere Qualität.

Das Verhältnis von schnellen und langsamen Fasern zueinander, sowie ihre Verteilung in den verschiedenen Körperteilen ist abhängig von Vererbung (Rasse)(Gunn 1978), Alter, Trainingszustand und Trainingsart (Lindholm und Piehl, 1974) Muskelzellen verwandeln chemische in mechanische Energie. Die Energie welche die Muskelzelle braucht um sich zusammenzuziehen erhält sie aus der Auflösung der energiereichen Phosphatverbindung welche den Muskeltreibstoff ATP (Adenosin Tri Phosphat) in ADP (Adenosin Di Phosphat) verfallen läßt. Die vefügbare Menge an ATP in der Zelle ist jedoch begrenzt, so daß die ATP Reserven irgendwie wieder durch Rückverwandlung von ADP in ATP hergestellt werden müssen ("Batterien wieder aufladen").

Der Brennstoff für diese energieverzehrende Operation ist vornehmlich Glycogen und Triglyzeride, danach Glukose und freie Fettsäuren. Glycogen und Triglyzeride finden sich in der Muskelzelle selbst, Glukose kommt übers Blut aus der Leber, sowie freie Fettsäuren aus dem Fettgewebe. Glycogen und Glukose können mit oder ohne Zutun von Sauerstoff verarbeitet werden. Die Verbrennung ohne Sauerstoff gebraucht jedoch 13x mehr Glykogen als jene mit Sauerstoff. Zudem fällt dabei Milchsäure als Abfallprodukt an welches den Muskel ansäuert was seinerseits die Enzymtätigkeit der ATP-ADP Verwandlung herabsetzt und somit einen entscheidenden leistungsbegrenzenden Faktor darstellt. (Jones 1989) Die Intensität, Dauer und Art der körperlichen Belastung ist entscheidend dafür welche Art von Verbrennung in der Muskelzelle zur Anwendung kommt. Da die Muskelfasern wie oben gesehen anpassungsfähig sind (TypII A u.B) wird klar wie entscheidend wichtig ein richtiges Trainingsprogramm für die harmonische Entwicklung der Muskulatur ist.

Unser kleiner Exkurs in die Biochemie der Muskelzelle soll dazu gedient haben ein kleines bißchen die Zusammenhänge erkennen zu lassen wie und warum Muskelprobleme beim Reitpferd wie z.B. Steifigkeit durch Uebersäuerung entstehen können, sind sie doch meistens Ausdruck eines überforderten, bzw. entgleisten Stoffwechsels.

Hoffentlich wird erkenntlich, daß nicht das anschliessend vom Tierarzt gereichte Pulver entscheidend ist sondern die Besinnung auf irgendwelche im Training begangene Fehler. Ausser Muskelproblemen welche wie gesehen entstehen durch nicht angepasste Dosierung, Dauer, Rythmus der Arbeit, führen natürlich noch andere Faktoren zu Rückenproblemen:
- dauernder Konflikt zwischen Pferd und Reiter wobei sich das Pferd aus welchem Grund auch immer gegen die Reitereinwirkung wehrt führt unweigerlich zu Verspannungen und später zu Entzündungen.
- krankhaften, mit Schmerz verbundenen Zuständen an der Wirbelsäule versucht das Pferd zu entgehen indem es einesteils durch Schwerpunktverlagerung (Kopf nach oben oder nach unten) versucht den Schmerzpunkt zu entlasten, andererseits durch Anspannen der örtlichen Muskulatur den schmerzhaften Bereich ruhigzustellen. Auch diese Verspannung ist nicht stoffwechselbedingt.

Selbstverständlich gibt es noch weitere Problembereiche am Rücken des Pferdes welche wegen Platzmangels hier nicht berücksichtigt werden konnten. Es handelt sich dabei jedoch vorwiegend um rein pathologische Veränderungen (wie sich berührende Dornfortsatzkappen ,"kissing spines" oder Entzündungen bzw Einengungen der Spinalnerven an ihren Austrittsstellen an der W.S.)auf welche jedoch der Reiter eh keinen Einfluß hat und die ihn daher vielleicht weniger interessieren.

Die enge Verbindung zwischen Stoffwechsel und Fütterung ist ein weiteres Thema welches nicht angeschnitten wurde. Die Zusammenhänge welche dabei zu solch gravierenden Rückenschmerzen wie "Kreuzverschlag" z.B. führen, sind jedoch so komplex, daß sie es sicherlich wert sind eigens in einem gesonderten Artikel behandelt zu werden.
Dr Georges Hoffmann Fachtierarzt für Pferde


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